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Beginn der Entscheidung

Gericht: Oberlandesgericht Schleswig
Beschluss verkündet am 04.09.2000
Aktenzeichen: 12 WF 88/00
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 127 Abs. 2
ZPO § 78
ZPO § 121 Abs. 2
ZPO § 121 Abs. 2 Satz 1
ZPO § 121 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative
ZPO § 127 Abs. 4
In Kindschaftssachen ist nicht von vornherein die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich, sondern nur dann, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint.
Beschluss

12 WF 88/00 129 F 99/00 - AG Lübeck

In der Familiensache,

- Beklagten und Beschwerdeführers -

- Prozessbevollmächtigt: Rechtsanwältin Gabriele Witten Schwarzenbergstraße 32, 21073 Hamburg AZ: 74/00WI01

gegen

- Kläger und Beschwerdegegner -

- Prozessbevollmächtigt: Jugendamt Lübeck Kronsforder Allee 2/6, 23539 Lübeck AZ: 5.512.25 Stangl, Marc pr -

hat der 3. Senat für Familiensachen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Schweckendiek sowie die Richter am Oberlandesgericht Zieper und Schiemann am 4. September 2000 auf die Beschwerde des Beklagten vom 14. Juli 2000 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Lübeck vom 08.06.2000 (Az: 129 F 99/00)

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde wird auf Kosten des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe:

Die gem. § 127 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die Vertretung durch einen Rechtsanwalt ist hier nicht erforderlich. In Kindschaftssachen ist gem. § 78 ZPO die Vertretung durch einen Rechtsanwalt nicht gesetzlich vorgeschrieben. Daher ist dem Beklagten ein Rechtsanwalt nur beizuordnen, wenn die Voraussetzungen des § 121 Abs. 2 ZPO vorliegen. Entgegen der Auffassung des Beklagten und einiger Oberlandesgerichte (vgl. u. a. Nachweise bei Zöller-Philippi, ZPO, 21. Aufl., § 121 Rn. 6) folgt der Senat der langjährigen ständigen Rechtsprechung des bis 1998 in Schleswig-Holstein für Statusprozesse allein zuständigen 1. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (u. a. FamRZ 1992, 197) sowie dem Kammergericht (DAVorm, 1999, 901), dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg (DAVorm, 2000, 505) und dem Oberlandesgericht Bamberg (FamRZ 1997, 377), wonach auch in Kindschaftssachen nicht von vornherein die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist, sondern nur dann, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint. Dies entspricht der gesetzlichen Regelung. In § 78 ZPO hat der Gesetzgeber in Kindschaftssachen eine regelmäßige anwaltliche Vertretung gerade nicht vorgeschrieben, und gem. § 121 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist auch im Falle der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht stets ein Rechtsanwalt beizuordnen, sondern die Erforderlichkeit der Anwaltsbeiordnung in Verfahren ohne Anwaltszwang stets gesondert zu prüfen. Die vom Beschwerdeführer zitierte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG 7, 53) steht dem nicht entgegen, da sie einen Fall betrifft, in dem der Beklagte sich in einem Prozess mit Anwaltszwang verteidigen müsste.

Auch der Umstand, dass der Kläger durch das Jugendamt vertreten ist, macht die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Der Grundsatz der Waffengleichheit des § 121 Abs. 2 Satz 1 2. Alternative ZPO, wonach die Beiordnung erforderlich ist, wenn der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, betrifft den vorliegenden Fall nicht. Die Vertretung durch das Jugendamt steht der Anwaltsvertretung nicht gleich. Es ist verfassungsrechtlich nicht geboten, einer Seite einen Anwalt beizuordnen, wenn die andere Seite durch einen Behördenvertreter vertreten ist (BVerfG NJW 1988, 2597).

Nach der somit hier vorzunehmenden Einzelfallabwägung ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich, da der Sachverhalt einfach ist und keine Gründe ersichtlich sind, aufgrund derer angenommen werden müsste, der Beklagte könne sich nicht selbst vertreten. Der Beklagte hat hier Mehrverkehr der Mutter eingewandt und auch eine konkrete Person als möglichen Vater benannt. Insoweit hat das Amtsgericht von Amts wegen ein Abstammungsgutachten in Auftrag gegeben. Das Amtsgericht wird in Ausübung des Amtsermittlungsgrundsatzes (§§ 640 Abs. 1, 616 Abs. 1 ZPO) die nötigen Tatsachenfeststellungen treffen und das Beweisergebnis entsprechend würdigen. Eines weiteren Zutuns des Beklagten bedarf es hier zunächst nicht. Sollte sich im weiteren Verfahren herausstellen, dass sich der Fall schwierig gestaltet und weitere Beweiserhebungen erforderlich sind, kann die Beiordnung eines Rechtsanwalts auch noch später erfolgen.

Die Nebenentscheidung folgt aus § 127 Abs. 4 ZPO.



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